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„in change is rest“ – Elisabeth Harnik

Ein Auftragswerk des chorforum.gleisdorf

Raummusik für vier Chorgruppen, vier Solist:innen, Orgel, Akkordeon und zwei Kontrabässe  – Text nach Heraklit und Sappho

 

Werkkommentar der Komponistin

 

„Als ich 2019 vom chorforum.gleisdorf den Auftrag für ein abendfüllendes Chorwerk erhalten hatte, konnte niemand ahnen, dass wir uns alle wenig später im Jahr 2020 mit einer grundlegenden Zumutung konfrontiert sahen: der Ungewissheit und Unabsehbarkeit eines Ausnahmezustands. Die Realisierung eines Chorprojekts mit über 100 Sänger:innen schien in so weiter Ferne, der menschliche Stimmausdruck geriet sofort ‚unter Verdacht‘ und dies sollte die folgenden zwei Jahre so bleiben. Parallel dazu stiegen soziale wie ökologische Ungerechtigkeiten weiter an, Bruchstellen in unserem gesellschaftlichen Zusammenleben wurden offengelegt und in der Zwischenzeit stehen wir weiteren großen Herausforderungen gegenüber.

 

Ich sehe mich als Künstlerin in der Verantwortung, die Komplexität unserer Zeit zu absorbieren und in meiner Arbeit zu reflektieren. Um mit Uneindeutigkeiten und Unsicherheiten konstruktiv umzugehen, finde ich es wichtig, Widersprüche zu erkennen und auszuhalten – das zeichnet für mich Offenheit aus. Und genau diesen offenen Möglichkeitsraum fand ich in den Fragmenten Heraklits, insbesondere im wiederkehrenden Thema seines Philosophierens: dem Prozess beständigen Werdens und Wandels. Seine Auseinandersetzung mit dem Verhältnis von Gegensätzen resonierte sehr stark in mir. Gerade im Kontrast zueinander werden die Pole eines Gegensatzes besonders stark erfahrbar.

 

In der Raumkomposition „in change is rest“ arbeite ich mit vier Chorgruppen, vier Solist:innen und vier Instrumenten, die verschiedene Positionen im Kirchenraum einnehmen und sich auf unterschiedliche Arten zueinander verhalten – mal in Form von Gegensatzpaaren, die ineinander umschlagen können oder sich von einem Pol zum anderen wandeln oder in Form von klanglichen und räumlichen Verschränkungen bis hin zu Momenten, in denen die Zusammengehörigkeit der verschiedenen Chor- und Instrumentalgruppen zelebriert wird. Jede Änderung der Raumpositionen der Chorgruppen bedeutet auch immer eine Verschiebung der Hörwahrnehmung der Zuhörenden. Das Hören kann sich selbst zuhören, es wird sich selbst gewahr und je nach Sitzplatz im Raum stellen sich beim Publikum zusätzlich zur individuellen ‚Gestimmtheit‘ unterschiedliche Wahrnehmungen der raumklanglichen Wirklichkeit des Werkes ein. Während des ersten großen Wechsels der Raumpositionen der Chorgruppen wurde ein Sappho-Fragment eingearbeitet – ein Einschub, um auch auf der Textebene einen Gegenpol zu schaffen.“

Chorforum Gleisdorf In Change is rest
Chorforum Gleisdorf In Change is rest